„ANDERS“ oder „NORMAL“?

Was ist „normal?“, was ist „anders“? Schaue ich mir Fotos bei Facebook an, dann sehe ich wie Max Mustermann sich einen Kiteurlaub auf Fuerteventura gönnt, Lieschen Müller wilde Yogastellungen in Indien praktiziert, Otto Normalverbraucher für den New-York-Marathon trainiert und Erika Mustermann sich einen neuen Audi A 4 zugelegt hat. Es scheint ein wiederkehrendes Bedürfnis zu bestehen, aus der Masse herauszustechen, um nicht als „normal=langweilig“ abgestempelt zu werden. Verständlich, denn im ersten Moment erscheint für die meisten die Idee eines „Durchschnittslebens“ nicht wirklich einladend. Was ist aber, wenn für einige von uns genau dieses Durchschnittsleben erstrebenswert erscheint? Wenn die Rechnung „normal gleich langweilig“ nicht aufgeht, sondern für sie „Normalität gleich Zugehörigkeit“ lautet?

Ich bin mir sicher, dass eine Reihe Hochsensibler sich beizeiten genau diese Durchschnittlichkeit für sich wünschen. Das Gefühl des Andersdenkens, -wahrnehmens und -fühlens für kurze Zeit abstreifen zu können, um in der Maske unterzutauchen. Zugehörigkeit zu empfinden und ein Stück weit zu Sein, ohne aufzufallen. Keine Ausreden finden müssen, warum sie gerade nicht auf die Party von XY gehen können, da ihre Reizschwelle schon lange überschritten ist, keine Überschwemmung von Emotionen, die eigentlich nicht die eigenen Gefühle, sondern ihrem Gegenüber gehören, keine Erklärung, warum man so ungern vorgezeichnete Wege geht, sondern seinen eigenen Weg beschreitet……

Ihr könntet mich fragen: „Warum ist es so schlimm sich „anders“ zu fühlen, wir sind doch eine bunte Gesellschaft, in der jeder seinen Platz findet?“. Und ich würde darauf Folgendes antworten: „Ja, wir sind eine bunte Gesellschaft und trotzdem bestehen die gesellschaftlichen Normen in den Köpfen der Menschen fort. Nicht „normal“ bedeutet weiterhin „anders“ und im schlimmsten Fall bedeutet dieses Stigmatisierung und den Ausschluss aus einer Gruppe. Menschen sind soziale Wesen, die das Gefühl der Zugehörigkeit und der damit einhergehenden Sicherheit zum (emotionalen) Überleben benötigen. Genau aus diesem Grund ist das Gefühl des „Andersseins“ (welches Hochsensible häufig ein Leben lang gespiegelt bekommen haben) so fatal und schmerzhaft, denn es berührt das tief verwurzelte Grundbedürfnis nach Leben und Überleben.